Mme d'Enfert - Eine Rose wird 100

Wir feiern in diesem Jahr das 100jährige Jubiläum einer Rose, die zu den fast vergessenen Schönheiten gehört: 1904 wurde die Bourbonrose Mme d'Enfert
von der Witwe Vilin eingeführt. Sie gehört dadurch nicht nur zu den besten Rosen ihrer Klasse, sondern auch zu den wenigen Sorten, die von einer Frau in den Handel gebracht wurden.

Die Vitalität und Wuchskraft von Mme d'Enfert widerlegen auf hervorragende Weise die immer wieder zu lesende Behauptung, Rosen, die in Vergessenheit geraten sind, hätten dieses Schicksal durch qualitative Mängel auch verdient.

Von der Vaterpflanze, der Tee-Noisetterose Mme la Duchesse d'Auerstaedt hat sie das ledrige Laub, die etwas flattrigen Blüten und den kletternden Wuchs geerbt. Der Duft ist eine Mischung aus dem schweren, harzigen Alte-Rosen-Parfum der Mutter und dem heiteren, fruchtigen Duft der Tee-Noisetterosen. Das erst kräftig bläulich getönte, später sehr zarte Rosa der Blüten ist ein Erbteil der Mutterpflanze, Mme Ernest Calvat.

Von ihr, einer Tochter von Mme Isaac Pereire, stammt auch die relativ große Frosthärte: Im strengen Winter 2002/2003 ist Mme d'Enfert im südlichen Schleswig-Holstein, trotz freien und vollsonnigen Standorts, nur an den Spitzen zurückgefroren. Im Gegensatz zu ihrer Mutter, Mme Ernest Calvat,  die sich in lichtem Halbschatten am wohlsten fühlt, scheint Mme d'Enfert aber volle Sonne nicht nur zu tolerieren, sondern sogar besonders zu mögen:  Im sehr heißen Sommer 2003 hat sie fast ohne Pause geblüht und die Blühpause, die die meisten  Bourbonrosen während der heißesten Wochen des Jahres normalerweise einlegen, kurzerhand ausgelassen.

Die Blüten, die sich aus hellen Knospen entwickeln, sind gut gefüllt und ziemlich groß. Sie erscheinen einzeln und in Büscheln über und zwischen dem dunklen, gesunden Laub, das im Austrieb oft einen bronzefarbenen Schimmer zeigt. An den starken Trieben gibt es vereinzelte, große Stacheln.

Die Pflanze wächst vieltriebig und kräftig. Aufgebunden kann man sie als kleinere Kletterrose führen, mit Rückschnitt bleibt sie ein aufrechter, buschiger Strauch von etwa 1,5 bis 2m Höhe.

Weder in Bezug auf Gesundheit, noch in Bezug auf Aspekte wie Ausstrahlung, Charme oder Reichblütigkeit u.a. braucht diese Sorte sich hinter irgendeiner anderen Rose zu verstecken und keinen Vergleich zu scheuen, weder mit historischen, noch mit modernen Züchtungen.

Umso verwunderlicher ist es, dass sie hierzulande noch nicht wieder im Handel ist und auch in anderen europäischen Ländern zu den Raritäten zählt. Vielleicht hängt es mit der Tatsache zusammen, dass sie von einer kleinen Rosenschule herausgebracht wurde und dass schon vor hundert Jahren die erfolgreiche Verbreitung einer neuen Rosensorte mehr von Handelsbeziehungen und Marketing abhängig war als von ihrer Qualität.   

In Europa kenne ich bisher nur eine Rosenschule, die Mme d'Enfert in ihrem Sortiment hat, Pépinières Loubert in Les-Rosiers-sur-Loire, Frankreich. In den USA hat man die Qualitäten dieser Sorte schon früher erkannt, dort gibt es sie in mehreren Rosenschulen. Von einer davon, Ashdown Roses, stammt mein Exemplar. Inzwischen hatte ich Gelegenheit, es mit einer Pflanze von Loubert und mit der Mutterpflanze in Sangerhausen zu vergleichen: Alle drei sind zu meiner großen Freude identisch und entsprechen darüber hinaus den alten Beschreibungen in der Rosenliteratur. Wir haben es also hier mit dem seltenen Glücksfall zu tun, dass keine Zweifel an der Identität einer alten und seltenen Sorte vorliegen und sie auch, zwar vorerst nur im Ausland, aber immerhin erhältlich ist.

Zu ihrem 100jährigen Bestehen hat diese strahlende und vitale Schönheit ihre Wiederentdeckung mehr als verdient und ich freue mich ganz besonders, dass sie in wenigen Jahren auch hier wieder im Handel sein wird.

 

Wenn es Fragen zu dem Artikel gibt, könnt ihr am besten in diesem Thread posten.

Raphaela - Text © 30.1.2004
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Letzte Aktualisierung: 23.2.2015  -  © Garten-pur GbR