Winterhärte der Rhododendren

Die Winterhärte der Rhododendron-Wildarten ist sehr unterschiedlich ausgeprägt (16) und kann selbst bei ein und derselben Art beträchtlich schwanken. Der Grund dafür liegt in der Klimasituation des Herkunftsgebietes. Viele Rhododendren haben ein großes Verbreitungsgebiet mit erheblichen Höhenunterschieden und damit eine unterschiedliche Kälteresistenz. So erklärt es sich, dass z.B. Rh. arboreum, dessen Hauptvorkommen sich auf den südlichen Himalaja beschränkt (Kaschmir, Nepal, Bhutan) in der Winterhärte von sehr empfindlich bis recht hart eingestuft werden kann. Die Art kommt eben in Höhen zwischen 1.500 und 3.000 m vor mit einem entsprechenden Ausleseprozess. Leider ist diese Art, eine der schönsten, hier bei uns generell nicht winterhart. Es sind aber inzwischen Sämlinge auf den Markt, die aus einer Höhe von über 4.000 m stammen sollen und die ein Experiment Wert sein sollten. Nur wenige Baumschulen bieten Detailinformationen über ihr Pflanzenmaterial, anhand derer sich die Herkunft des Klons zurückverfolgen ließe. Denn die Aufzeichnungen der Pflanzenjäger nennen in den meisten Fällen genaue Höhenangaben, in denen der Samen gesammelt wurde, womit ein wesentliches Indiz für die Winterhärte gegeben sein kann. Zu Recht wird man einwenden, dass ja nicht alle im Handel befindlichen Wildarten geklont sind, sondern aus generativer Vermehrung mit gezielter Bestäubung stammen und folglich ein zusätzlicher Ausleseprozess in unserem Klima stattgefunden hat. In diesem Fall kann man sich nur auf die Auskünfte der Baumschule verlassen. Das wirkliche Sammlerherz schlägt aber deutlich höher, wenn es bei seiner leidenschaftlichen Jagd auf Wildarten den Rh. wardii-Klon Nr. 15764 der Ludlow, Sherriff & Elliot-Expedition 1946-47 nach Süd-Ost-Tibet erstehen konnte. Wem das zu spleenig erscheint, der möge bedenken, dass derartige Klone neben einer möglicherweise ausgeprägteren Winterhärte auch noch besondere Merkmale hinsichtlich Blütenfarbe, Blattform und -farbe sowie Habitus aufweisen können, die sie besonders begehrenswert machen. Wir werden auf diesen Aspekt noch bei den Wildarten zurückkommen.

Auf den ersten Blick mag es verblüffend anmuten, wenn selbst Rhododendren aus sehr kalten Regionen Schwierigkeiten mit unserem Klima haben. So versagen die Arten Rh. dauricum und Rh. mucronulatum, deren Vorkommen in Sibirien und Nord-Ost Asien liegt, bei uns nicht selten und bieten einen nur jämmerlichen Blütenflor. Der Grund liegt in dem Frühjahrsverlauf. In den Herkunftsregionen weichen die Fröste zwar später, aber nicht so zögerlich, wie so oft bei uns. Unsere Frühjahre sind von häufig wechselnden Frost- und Auftauperioden gekennzeichnet, die diesen Arten zu schaffen machen. Der berühmte und traumhaft schöne Rh. dauricum-Klon „Midwinter", der tatsächlich schon im Februar versucht, seine Blüten zu öffnen, dürfte hier vergebliche Liebesmühe sein. England, du hast es einfach besser! Man muss deshalb aber nicht gleich auswandern, denn es besteht ja die Möglichkeit, den Garten bei drohenden Frosteinbrüchen à la Christo mit Tüchern und Noppenfolien zu verhängen, Sonnenschirme aufzuspannen oder aus geknüllten Zeitungen Schutzhäubchen zu formen. Eine derartige Gartenverfremdung sichert einem höchste Aufmerksamkeit seitens der Nachbarschaft.

Sofern man die Wildarten bei niederländischen oder englischen Baumschulen kauft, ist die Interpretation der Härteangaben nicht ganz einfach. Wir haben zu berücksichtigen, dass das Klima in diesen Ländern deutlich milder ist als bei uns. Selbst wenn wir den inzwischen nicht mehr zu leugnenden Treibhauseffekt berücksichtigen, haben wir doch die immer wieder plötzlich und unvermutet auftretenden Temperaturausschläge in einen erschreckend tiefen Minusbereich zu berücksichtigen. Mit diesem Warnhinweis soll die Experimentierfreude, wie sie uns Gärtnern bekanntlich zu Eigen ist, keinesfalls unterbunden werden. Wer seinen Garten kennt, weiß um die Ecken und Nischen, die klimatisch begünstigt sind und hat sich ebenfalls überlegt, welche Schutzmaßnahmen er auf sich zu laden bereit ist. Denn mag das allgemeine Klima in der Wohngegend auch recht rau sein, es gibt Gartenregionen, in denen es deutlich milder ist. Wenn dann noch die überhängenden Äste eines Nadelgehölzes für zusätzlichen Schutz sorgen, dann fühlt man sich zu Recht legitimiert, etwas mehr zu wagen.

Die Angaben in den englischen Katalogen nennen üblicherweise Härteklassen von 1 - 4, wobei 4 die größte Frostresistenz bezeichnet. Bei 3 würde ich es hier bei uns noch wagen. Über unter 3 brauchen wir nicht mehr zu diskutieren. Und dennoch: In meinem Garten steht seit zwei Jahren der winzige Sämling eines Rh. edgeworthii, der als nicht frosthart gilt (Winterhärte 2-3). Es scheint ihn nicht zu interessieren. Er überlebte bereits - 15° C.

Empfindlichere Rhododendren sollten wegen unseres wechselvollen Winterwetters ohnehin besser nach Norden ausgerichtet, aber windgeschützt gepflanzt werden. Als Alternative käme das Unterpflanzen von Sträuchern und (immergrünen) Bäumen in Betracht, wobei man wegen der Wurzelkonkurrenz die Flachwurzler unter ihnen meiden muss. Dadurch ist ein besserer Schutz vor Auftauprozessen nach glasklaren Frostnächten gegeben als durch künstliche Abdeckmaßnahmen. Auch gibt es die Theorie, dass von anderen Pflanzen herabrinnende Regentropfen positive physiologische Effekte auf das Rhododendron-Wachstum haben sollen.

Letzte Aktualisierung: 20.2.2006  -  © Garten-pur GbR