Die Gärten Venedigs

„In den schmalen Kanälen, auf der Jagd nach Amüsement,
sind sie die allerhübscheste Überraschung.
Das Gewirr von Pflanzen und Blüten  drängt sich über ramponierte Mauern,
das Grün arrangiert sich mit den verwitterten, roten Ziegeln“
(Henry James)

Obwohl dicht an dicht bebaut und damit drangvolle Enge erzeugend, Goethe schrieb „Die Häuser suchten die Luft, wie Bäume, die geschlossen stehen...“, ist Venedig so arm an Gärten nicht. Das reiche Bürgertum hat es auch in dieser Stadt verstanden, sich hierfür Areale zu sichern, die hinter hohen Mauern verborgen, oftmals nur vermutet werden können. Hin und wieder gelingt ein Blick durch abwehrende Eisentore, dicht bewachsenen Zäune, die doch noch eine Lücke lassen, vielleicht auch von höheren Standorten, wie sie einem die Brücken ab und zu bieten vermögen (Bild 19), oder der Besucher erahnt diese Gärten lediglich, weil sich Strauch- und Baumwipfel über Mauerkronen lehnen (Bild 20).

Diese kleinen Gärten, einige penibel gepflegt (Bild 21), andere wieder den gleichen Verfall widerspiegelnd wie er in der Stadt allenthalben anzutreffen ist (Bild 22), vermitteln eine starke Intimität, die das Gefühl für Vergangenes besonders intensiv aufleben lässt. An diesen geradezu versteckten Orten fällt es nicht schwer, sich Albrecht Dürers schöne Venezianerin vorzustellen, wie sie, abgeschirmt vom lärmenden Treiben der Stadt, den Garten durchstreift, dort liest, die Laute spielt oder artig ihre Stickereien vollendet. Alle diese höchst sittsamen Tätigkeiten, die wir gemeinhin dem schöngeistigen Renaissancemenschen zuordnen (Bild 23). „Wie süß das Mondlicht auf dem Hügel schläft! Hier sitzen wir und lassen die Musik zum Ohre schlüpfen...“ In dieser romantischen Atmosphäre, in sinnlich-warmer Nacht dürften sich Shakespeares Verse in die Seele eines jeden Betrachters drängen (Bild 24, 25 und 26), auch wenn Venedig selbst keine Hügel kennt. Aber das wusste der Engländer nicht.

Das „moderne“ Venedig hat offenbar die Dachgärten entdeckt. Häufig sieht man den Dächern aufgesetzte Altane, die reich mit Topfpflanzen oder Blumenkästen dekoriert sind und sich so als Minigärtchen präsentieren (Bild 27). Es muss wundervoll sein, an heißen Sommerabenden hoch oben in luftiger Höhe, inmitten des duftenden Pflanzendschungels sitzend, das quirlige Gewoge unten auf der  Piazza zu beobachten.

Auch die öffentlichen Parks, so beispielsweise die Giardini Pubblici und Giardino ex Papadopoli sind es wert, in ihnen ein wenig zu schlendern. Sie haben aber, so scheint mir, ihren Höhepunkt hinter sich, da sie den Touristen recht gleichgültig sind. Folglich schenkt wohl auch die Stadt diesen grünen Enklaven nicht mehr die rechte Aufmerksamkeit. Ausnehmend zauberhaft fanden wir einen Brunnen im Garibaldi-Park an der Via Giuseppe Garibaldi (sehr empfehlenswert, da sich auf dieser Straße das venezianische Alltagsleben abspielt). Er ist dem allgegenwärtigen Nationalhelden gewidmet. Dank der Nonchalance der Südländer war der Brunnenaufbau völlig von Moosen und Farnen eingesponnen worden, was die ordnende Hand einer deutschen Parkverwaltung nie zugelassen hätte. Aber hier war ein „vaterländischer“ Brunnen von der Natur auf sanfte Weise in ein sehr erträgliches, ja vergnügliches Kunstwerk umgestaltet worden (Bild 28).

Deftiger und bodenständiger sind die Gärten der Giudecca. Die Historiker sind sich uneins, ob diese etwas vorgelagerte Insel einstmals das Siedlungsareal der Juden (= die jüdische Insel) oder eher ein Gefängniseiland gewesen ist und ihren Namen von judex = Richter ableitet. Noch heute befindet sich dort ein Gefängnis mit unmittelbar angrenzendem Park. Da die Wachtürme nicht besetzt waren, liegt die Vermutung nahe, dass die Funktion aufgegeben wurde. Auch der unzugängliche Park war menschenleer (Bild 29). Sehen konnte man nur das, was einem der langgestreckte Hals, den die Pflanzenliebhaber in so unnachahmlicher Weise recken können, erlaubte. Die an sich etwas enttäuschende Giudecca, die berühmte Chiesa del Redentore mit der wundervollen Fassade Palladios wirkt viel schöner von der gegenüber liegenden Uferseite Zattere aus (Bild 30), bietet ansonsten einige Nutzgärten, in die einzublicken einem aber meistens verwehrt ist. Es sei denn, einer schiebt Wache, der andere stolpert durch Abfallberge, kraxelt auf einen hohen Schutthaufen und macht wiederum einen langen Hals (Bild 31).

 


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Letzte Aktualisierung: 21.11.2005  -  © Garten-pur GbR