Venedig kann sehr feucht sein

„Denn der Regen, der regnet jeglichen Tag“
(William Shakespeare)

Eine im Wasser liegende Stadt ist zwangsläufig sehr feucht. Dieses Mal empfing uns die Allerdurchlauchtigste aber mit einem Dauerregen, begleitet von böigen Winden. An beiden Händen einen Koffer, rollen ging in den engen Gassen etwas schlecht, gestaltete sich die Suche nach der gebuchten Unterkunft recht mühsam. Die Pension war einfach nicht zu finden. Ladeninhaber zuckten bedauernd mit den Schultern – nie gehört – und verscheuchten mich in meinem desolaten, zunehmend aufgeweichten Zustand von ihrer Ladenschwelle, weil sie befürchteten, ihre Ware könnte Schaden nehmen. Der Wind fegte mir die Kapuze vom Kopf, an einen Schirm war in der Enge der Gassen bei dem Passantenstrom – Scusi! –  nicht zu denken. Die einzige trockene Stelle an meinem Körper war mein Rachen. Ich wähnte mich schon einer Betrügerei aufgesessen, als die Empfangsdame eines kleinen Hotels den richtigen Weg wusste. Unser Etablissement lag in einer Gasse, die ich noch nicht einmal bei hellem Sonnenschein betreten hätte (Bild 7). Die Koffer in dem engen Treppenhaus bis in das  5. Oberschoss hinaufzuwuchten, konnte nur noch unter sportlichen Aspekten gewertet werden. Das kleine Appartement war jedoch recht ansprechend, auch wenn zahlreiche Spuren an den Wänden von  überaus erfolgreichen Mückenjagden berichteten, nachdem sich diese an den Gästen gütlich getan hatten.

Der Regen war erfreulicherweise eine Episode, die sich aber noch einige Male während des Aufenthalts wiederholen sollte. Unerschrockene Damen reagierten mit offenen Gummisandalen. Sie mussten kerngesund sein, denn ganz so warm war es nicht mehr. Engländerinnen sind aus solch zähem Holz geschnitzt. Die Sonne des nächsten Morgens besänftigte und legte einem wärmend ihre Arme um die Schultern. Der erste Weg führte zur Brücke an der Accademia, von wo aus das Gewimmel auf dem Canal Grande so herrlich zu beobachten ist (Bild 8). Das Panorama ist schier überwältigend, und das Licht der Morgensonne verleiht dem farbenfrohen Spektakel auf dem Wasser zusätzliche Leuchtkraft. Goethe sah seinerzeit „das beste, frischeste Bild der venezianischen Schule ... alles war hell in hell gemalt ...Tizian und Paul (ergänzt: Veronese) hatten diese Klarheit im höchsten Grade...“. Weder am Blick Goethes noch dem eines Canalettos hat sich bis heute etwas geändert. Lediglich die Vaporetti muss man sich wegdenken..

 


Weiter geht es mit: Piazza San Marco.

Letzte Aktualisierung: 17.11.2005  -  © Garten-pur GbR